Die Karriere muss nicht linear erfolgen

erstellt am: 30.04.2013 | von: Heinz Wyssling | Kategorie(n): Berufschancen, Karriere, Motivation, Persönlichkeit

Ich bin Mitte dreissig, habe ein Phil.-I-Studium mit Soziologie im Hauptfach abgeschlossen. Bisher habe ich verschiedene Jobs ausgeübt, während des Studiums ein Praktikum in der Verwaltung gemacht, als Aushilfslehrer gearbeitet und bin nun seit einigen Jahren als Projektleiter im Gesundheitsbereich einer kantonalen Verwaltung tätig. Ich mache mir zunehmend Gedanken, wie es in Zukunft weitergehen wird. Haben Sie eine Idee? M. R. aus Zürich

Lieber Herr M. R.
Die Vorstellung, dass man mit einer guten Ausbildung auch eine lebenslange Anstellung mit Aufstiegsmöglichkeiten bekommt, ist längst überholt. Dass nach einem Studium weitere Lehrjahre und eine Zeit der Ungewissheit mit zum Teil auch befristeten Stellen folgen, ist nicht unüblich. Gerade für die Generation der jungen Akademiker funktionieren Karrieren der Eltern nicht mehr als Vorbild. Daher macht es Sinn, sich Vorbilder als Orientierungshilfe zu nehmen, deren beruflicher Werdegang nicht so linear verlaufen ist. Der Umgang mit der damit verbundenen Unsicherheit erfordert ein hohes Mass an Selbstmotivation, Mut und Energie, die eigene Karriere zu gestalten und sich sozusagen immer wieder neu zu erfinden.

Ich kann Ihnen nur raten, sich wie ein selbstständiger Unternehmer zu verhalten. Wer sich als Regisseur seiner beruflichen Laufbahn versteht, verhandelt mit Arbeitgebern auf Augenhöhe, weil er weiss, was er kann und welchen Nutzen er für seinen Zielkunden, sprich künftigen Arbeitgeber bringt. Die mit einer neuen Tätigkeit verbundene Erfahrung und entsprechende Weiterqualifizierung erhöhen auch Ihre Employability (Beschäftigungsfähigkeit) auf dem Arbeitsmarkt. Den Umgang mit der damit verbundenen Unsicherheit können Sie durch Stabilität im Privatleben kompensieren. Wir Menschen brauchen ein gewisses Mass an Sicherheit, sie gibt dem Leben Struktur und sorgt dafür, dass man nicht jeden Tag schauen muss, woher das Geld kommt. Wenn diese Struktur fehlt, braucht es innere Stabilität durch ein intaktes Umfeld. Die Einstellung, jede Stelle innerlich auf Zeit anzunehmen, hilft, mit der Patchworkkarriere bewusster umzugehen.

Tages Anzeiger vom 29.04.13



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