Reisen statt studieren – ist das eine gute Idee?

erstellt am: 10.12.2012 | von: Heinz Wyssling | Kategorie(n): Berufschancen, Motivation, Persönlichkeit, Projektmanagement, Reisen, Studium, Ziele

Meine Tochter hat eine KV-Lehre mit Berufsmatur abgeschlossen. Erst wollte Sie an der Fachhochschule oder an einer Universität Betriebswirtschaft studieren. Doch nun hat sie nach einem Sprachaufenthalt in England plötzlich keine Lust mehr, ein Studium zu beginnen. Sie will mit einer Freundin ein Jahr verreisen. Ich bin be­un­ruhigt. Wie schätzen Sie ihre Chancen ein, nach einer so langen Reise den Einstieg ins Studium zu schaffen? Und was würden Sie meiner Tochter empfehlen? M. K. aus R.

Lieber Herr K.
Ich kann Ihre Befürchtung sehr gut nachvollziehen. Es ist für Eltern nicht leicht, loszulassen und die Tochter ihren Weg selbstbestimmt gehen zu lassen. Ohne Motivation geht jedoch gar nichts. Wenn Sie mental noch nicht bereit ist, in ein Studium einzusteigen, dann wird es ihr auch nichts bringen. Studieren erfordert Einsatz und Disziplin – und das kann nur erfolgreich bewältigt werden, wenn das Ziel klar und die Entscheidung ­in­trinsisch motiviert ist. Der Reisewunsch kann – bildlich gesprochen – als Tankstellenstopp verstanden werden, um nach einer Phase intensiven Lernens zuerst wieder Energie zu tanken. Dass Reisen zudem bildet, hat schon Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) fest­gestellt: «Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen.»

Denn Reisen auf eigene Faust erfordert eine hohe Selbstkompetenz im Management der eigenen Person. Sie wird sich mit fremden Kulturen auseinandersetzen müssen. Die Reise muss geplant und organisiert, ein Budget erstellt und eingehalten werden. Die Kommunikation in fremden Sprachen ist gefordert, Probleme müssen gelöst und Entscheidungen getroffen werden. Eine so lange Reise erfordert ein hohes Mass an Projektmanagement-Fähigkeiten, wie sie auch in der Arbeitswelt gefragt sind. Ich bin überzeugt, dass das Projekt Reisen für Ihre Tochter eine bereichernde Erfahrung werden wird, von der Sie ein Leben lang zehren kann. Den Einstieg in ein Studium wird sie auch ein Jahr später schaffen. Dann jedoch mit Motivation und Engagement. Reisen ist auch eine Reise zu sich selbst. Und über die sozialen Medien haben Sie heute auch die Möglichkeit, Ihre Tochter virtuell zu begleiten.

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